Herr Pließ setzt seine unqualifizierten Angriffe auf die chinesische Medizin fort
(Pressemitteilung des CTCA vom 07.04.2005)
Im März 2005 schickte der Allgemeinarzt aus Oberfranken Rainer Pliess ein Schreiben mit scharfen Angriffen gegen die Qualität chinesischer Kräutertees an verschiedene Medien (u.a. Spiegel, Stern, Focus, Report, Monitor), aber auch an die Staatsanwaltschaft Berlin. Die von Herrn Pliess aufgestellten Behauptungen erweisen sich bei näherer Analyse als nicht haltbar. Die anzuwendenden Grenzwerte, die angeblich "unglaublich" überschritten werden, werden von ihm erst gar nicht benannt.
Im Unterschied zu damals macht er nun detaillierte Angaben zu seinen Messwerten. Er fährt schwere Geschütze auf und behauptet, dass die Schwermetallgrenzwerte, die für Lebensmittel gelten, "unglaublich" überschritten werden, dass ihm "schwerwiegende Zwischenfälle bekannt" seien, und tituliert die chinesischen Tees als "Sondermülltees". In einem Schreiben an die Apotheken, deren Tees er untersucht hatte, wird er noch massiver. Zitat: "Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass fast alle in Deutschland vertriebenen chinesischen Lebensmittel, Medizinaltees oder auch Produkte wie Moxastäbe zum großen Teil hochgradig mit Schwermetallen belastet, kontaminiert und verseucht sind, oder minderwertige Qualität haben." . "Derweil nehmen weitere z.T. schwerkranke Patienten chinesische Heilkräutertees mit hohem Cobalt-, Blei-, Cadmium-, Molybdän-, Thallium- usw. Werten, die bei vielen von ihnen schwere Nebenwirkungen auslösen oder manche sogar lebensgefährlich erkranken lassen (mir selber sind aus dem Bundesgebiet bisher drei Fälle bekannt). Dies ist ein absoluter Skandal und ein Verstoß gegen Grundrechte des Patienten." Er scheut auch nicht vor Ausdrücken wie "Betrug" oder "strafrechtliche Relevanz" zurück und droht den betreffenden Apothekern, wenn sie die Patienten nicht unverzüglich über seine Messwerte aufklären würden, mit einer Anzeige. Wie schon in der Analyse seiner ersten Veröffentlichung erweisen sich die Vorwürfe wiederum als haltlos.
Analyse der Messwerte
Vorauszuschicken ist, dass das CTCA nur zu Ergebnissen Stellung nehmen kann, die ihm von Pliess selbst mitgeteilt wurden. Danach handelt es sich um 14 verschiedene Teemischungen, die in Hinsicht auf diverse Pestizide und Metalle geprüft wurden. Die Zusammensetzung der Tees wurde nicht mitgeteilt. Sollte Pliess über weitere Messwerte verfügen, kann hier naturgemäß nichts darüber ausgesagt werden. Die Ergebnisse zu Insektiziden hatte Herr Pliess nicht zu beanstanden, was wir zur Kenntnis nehmen, wohl aber die Schwermetallgehalte.
Bei pflanzlichen Arzneimitteln existieren nur für wenige Schwermetalle Richtwerte, und zwar für Blei, Cadmium und Quecksilber (Einzelheiten s. unten: "Rattengift in chinesischen Heilmitteln?"). Die Höchstmengenempfehlung für Blei beträgt 5 mg/kg. Pliess täuscht hohe Werte vor, indem er die Angaben nicht wie üblich in Milligramm/kg (mg/kg), sondern in Mikrogramm/kg (µg/kg) vornimmt, danach beträgt der Richtwert 5000 µg/kg. Dieser Wert wird in keinem Fall der von ihm mitgeteilten Messungen erreicht! Der höchste von ihm mitgeteilte Wert liegt bei 4035 µg/kg. Indem er unzulässigerweise auf den für Spinat geltenden Grenzwert von 300 µg/kg Bezug nimmt, kommt er zu dem Ergebnis, alle untersuchten chinesischen Tees als "hochgradig belastet" einzustufen.
Für Quecksilber beträgt die Höchstmengen-empfehlung 100 µg/kg. Die Messwerte von Pliess liegen meist deutlich darunter. Der höchste Quecksilberwert liegt bei 35 µg/kg. Für Cadmium beträgt die Höchstmengenempfehlung 0,2 mg/kg (200 µg/kg). Dieser Wert wird von 5 der 14 mitgeteilten Messwerte numerisch überschritten. Der höchste Wert liegt bei 626 µg/kg. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die chinesischen Tees nicht wie Spinat verzehrt werden, sondern als Dekokt (wässrige Abkochung) zubereitet getrunken werden. Wie in unserer zitierten Veröffentlichung [1] nachgewiesen, gehen die schwer wasserlöslichen Schwermetalle nur zu geringen Anteilen in das Dekokt über, so dass sie dort zumeist nicht mehr nachweisbar sind. Die aus den Tees resultierende Belastung, die keineswegs heruntergespielt werden soll, liegt damit deutlich unter dem numerischen Wert. Sie muss auch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass chinesische Arzneien ein beträchtliches medizinisches Nutzenpotenzial haben, das für einige Krankheiten, wie Neurodermitis und Reizdarm, durch international anerkannte klinische Studien belegt ist.
Die übrigen Metalle
Pliess spricht davon, dass "hochkontaminierte Tees in Tonnen" ... "mit verbotenen Stoffen wie Thallium und Arsen" in der BRD im Umlauf seien. Die Richtwertproblematik zu Thallium wurde von uns bereits abgehandelt [1], danach ist der ZEBS-Richtwert für Obst und Gemüse von 100 µg/kg heranzuziehen. Der höchste Messwert von Pliess liegt mit 75,7 µg/kg eindeutig darunter. Zusätzlich ist beim Bezug auf diese Richtwerte ein Trocknungsfaktor von ca. 5 einzurechnen, da es sich bei Tees um getrocknete Pflanzenbestandteile handelt. Pliess vertritt die Meinung, dass Thallium in Arzneimitteln überhaupt nichts zu suchen habe. Doch lässt sich dieses angesichts einer allseits in Mitleidenschaft gezogenen Umwelt und ständig verfeinerter Messmethoden nicht einfach verbieten. Es kommt nicht selten sogar im Trink- und Mineralwasser vor und wird dort innerhalb bestimmter Grenzen auch toleriert [2]. Die Behauptung bzgl. Kontamination mit Arsen wird erst gar nicht durch Werte belegt. Die Beurteilung der übrigen Metalle ist schwierig, weil es hierbei selbst für Lebensmittel kaum verbindliche Angaben gibt. Diese spielen in der Risikobewertung offenbar eine untergeordnete Rolle. Bzgl. Gallium, Gold und Indium werden von Pliess durchgehend Nullwerte mitgeteilt. Kupfer wurde von ihm mit bis zu 14,8 mg/kg gemessen. Vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin wurde für das lebensnotwendige Spurenelement Kupfer ein täglicher Bedarf von 1,0 bis 1,5 mg angegeben (für Erwachsene und Kinder ab 7. Lebensjahr) und ein "Upper Intake Level" von 10 mg pro Tag [3], das Food and Nutrition Board (FNB) des Institute of Medicine gibt ein "No Observerd Adverse Effect Level"(NOAEL) von 10mg/Tag an [4], d.h. bei diesem Wert wurden unter langfristiger Einnahme keine schädlichen Wirkungen beobachtet. Wenn man davon ausgeht, dass von einem Tee 100 g Tagesdosis eingenommen werden, so würden in dem Tee mit der höchsten Kupferkonzentration 1,48 mg Kupfer enthalten sein. Doch wie oben geschildert, geht nur ein Anteil davon in das Dekokt über, so dass die Kupferbelastung weit unter kritischen Größen zurückbleibt. Auch Zink ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Pliess findet Werte bis 38,5 mg pro kg Tee. Die empfohlene tägliche Zinkzufuhr beträgt für Erwachsene 7 bis 10 mg [4]. Das Scientific Committee on Food (SCF) der Europäischen Kommission nennt ein Tolerable Upper Intake Level von 25 mg pro Tag. Unter Annahme einer Tagesdosis von 100 g des Tees mit der höchsten Zinkkonzentration käme man auf eine Menge von 3,85 mg Zink im Tee, wovon wiederum nur ein Teil in das Dekokt übergeht. Auch hier ist man von gefährlichen Konzentrationen weit entfernt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung toleriert sogar einen bewussten Zusatz von Zink in Nahrungsergänzungsmitteln bis 2,25 mg [4].
Molybdän ist ein für den Menschen essentielles Metall und Bestandteil vieler Enzyme. Pliess findet Konzentrationen bis maximal 718 µg pro kg Tee, entsprechend 71,8 µg in 100 g Tee. Das Bundesinstitut für Risikobewertung gibt den Tagesbedarf eines Erwachsenen mit 50 bis 100 µg an, es schlägt eine Höchstmenge von 80 µg als Zusatz in Nahrungsergänzungsmitteln vor [4], also mehr als in einer der Tagesmengen enthalten. Hinzu kommt wiederum, dass de facto im Dekokt nur eine geringere Menge ankommt. Für Zinn gibt Herr Pliess Messwerte bis zu 155,1 µg/kg an. Die JECFA (Joint Expert Committee on Food Additives of the Food and Agriculture Organization of the United Nations and the World Health Organization) empfiehlt einen Provisional Tolerable Weekly Intake (PTWI)-Wert von 14 mg pro kg Körpergewicht, d.h. 2 mg/kg bzw. 2000 µg/kg pro Tag. Dieser Wert kann durch die von Pliess geprüften Tees bei weitem nicht erreicht werden. Bei Wismut beträgt die normale tägliche Aufnahme geschätzt 2 bis 30µg. Das Metall wird therapeutisch bei Magenerkrankungen in Mengen von 50 µg bis 525 mg angewandt. Das No Observed Adverse Effect Level (NOAEL) betrgt 100 mg pro kg Körpergewicht [6], also 6000 mg (oder 6.000.000 µg) für eine 60 kg schwere Person. Der maximale von Herrn Pliess mitgeteilte Messwert beträgt 174,8 µg/kg. Die in 100 g Tee enthaltene Menge würde mit 17,5µg um Dimensionen unterhalb möglicherweise schädlicher Bereiche liegen.
Zusammenfassende Wertung: Die von Herrn Pliess aufgestellten Behauptungen erweisen sich bei näherer Analyse als nicht haltbar. Die anzuwendenden Grenzwerte, die angeblich "unglaublich" überschritten werden, werden von ihm erst gar nicht benannt. Vielmehr versucht er, den Leser durch lange Zahlenketten (Angaben in Mikrogramm anstatt der üblichen Milligramm) zu beeindrucken. Lebenswichtige Mineral- und Spurenelemente werden einseitig als Gifte dargestellt. Lediglich für das Schwermetall Cadmium werden Grenzwerte, die für frisches Gemüse gelten, überschritten. Dabei gilt für praktisch alle Metalle, dass diese schwer wasserlöslich sind und nur geringe Mengen in ein daraus zubereitetes Dekokt übergehen. Die Messwerte für Cadmium sind sicher alles andere als erfreulich. Sie können jedoch bei Anwendung in Dekokten kein wirkliches Gesundheitsrisiko begründen. Die Werte der anderen Metalle liegen deutlich bis weit unterhalb kritischer Grenzwerte.
Herr Pliess geht von eigenen Theorien aus, wonach Umweltnoxen, deren Mengen weit unterhalb der offiziell genannten Bedenklichkeitsgrenzen liegen, schon schwere Gesundheitsschäden auslösen sollen. Das ist sein gutes Recht, doch muss er das auch klar benennen und vor allem auch belegen. Aus selbst fabrizierten und absonderlichen Vorstellungen über Grenzwerte lassen sich schwerlich skandalöse Verhältnisse bei chinesischen Arzneien ableiten.
Dem Centrum für Therapiesicherheit in der Traditionellen Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) ist die Qualität chinesischer Arzneien ein besonderes Anliegen, diese wird im Dialog mit den Apotheken auch immer wieder eingefordert. Dem CTCAsind jedoch aus westlichen Ländern keine Gesundheitsschäden bekannt geworden, die durch Kontaminationen mit Schwermetallen eingetreten wären. Der Bezug von ungeprüften Mitteln, z.B. über das Internet, birgt jedoch Risiken. Erfahrene Therapeuten wissen, welche Bezugsquellen gute und zuverlässige Qualität anbieten. Dazu gehören in Deutschland insbesondere die Apotheken, die sich in der "Arbeitsgemeinschaft Deutscher TCM-Apotheken (TCM-Apo-AG)" zusammengeschlossen haben. Bestimmte Großhändler bzw. Importeure prüfen ihre Ware hinsichtlich aller relevanten Parameter, der Bezug über diese vermittelt Sicherheit. Es ist unklar, warum Herr Pliess derart schwere und unqualifizierte Geschütze gegen die chinesische Medizin auffährt. Insider können sich des Eindruckes nicht erwehren, dass er damit eine Privatfehde mit der TCM-"Klinik am Steigerwald" ausfechtet. Diese befindet sich in seiner Wohnumgebung und zeichnet sich dadurch aus, dass sie besonders niedrige Dosierungen von chinesischen Arzneien verwendet. Damit wird das Risiko, falls eine solches bestehen sollte, noch einmal abgesenkt. Ist die Klinik mit ihrem therapeutischen Erfolgen für den niedergelassenen Arzt eine unliebsame Konkurrenz, die er ausschalten will? Warum hängt er seine verleumderischen Angriffe gleich so hoch auf? Offenbar versucht er mit allen Mitteln, der chinesischen Medizin einen Imageschaden zuzufügen.
Dr. Axel Wiebrecht 1. Sekretär des CTCA
Quellen:
Wiebrecht A, Gasser U. Rattengift in chinesischen Heilmitteln? (2004) Dt. Zeitschr. f. Akupunktur 47(4): 49-51
- Bundesinstitut für Risikobewertung (2004). http://www.bgvv.de/cm/208/thallium_in_mineralwasser.pdf
- Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (2002), http://www.gruenwalder.de/DE/Produkte/Spurenelemente/Texte/mineralstoffe...
- Bundesinstitut für Risikobewertung (2004). http://www.bgvv.de/cm/238/verwendung_von_mineralstoffen_in_lebensmitteln...
- Food Standards Agency (1999). http://archive.food.gov.uk/maff/archive/food/infsheet/1999/no191/191tds.htm
- Sato H (Tohoku University, Japan), Okamato M (Hitachi PERL, Japan), Deubzer O (TUBerlin). http://www.efsot-europe.info/servlet/is/168/2003-12-Biological_Impact.pd...