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danggui ©Erich Stöger

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In letzter Zeit mussten verschiedene Apotheken, insbesondere in Bayern, den Vertrieb chinesischer Granulate einstellen. Hintergrund sind neue Anforderungen der Pharmazieräte an den Vertrieb von Granulaten, die in den verschiedenen Bundesländern jedoch unterschiedlich gehandhabt werden. Bei wortgetreuer Umsetzung der Anforderungen sind die Hürden so beschaffen, dass sich die betroffe­nen Apotheken nicht mehr in der Lage sehen, diese unter realistischen Bedingungen zu nehmen und den Vertrieb einstellen.

Besonders die laut Apothekenbetriebs­ordnung von den Apotheken vorzu­neh­­­mende Identitätsfeststellung eingesetzter Rezepturbestand­teile spielt eine tragende Rolle.

In § 11 der Verordnung heißt es:
„Werden Ausgangsstoffe bezogen, deren Qualität durch ein Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3 nachge­wiesen ist, ist in der Apotheke mindestens die Identität festzustellen.“

Die Apotheken sind danach gehalten, zusätzlich zur Identitätsfeststellung und anderen Qualitäts­prüfungen durch externe Institute selbst die Identität in der Apotheke noch einmal zu bestätigen. Während es für Rohdrogen häufig machbar ist, dieses mittels Sicht-, Geschmacks- und mikrosko­pischer Prüfung zumindest mit dem Ziel Ausschluss von Verwechslungen durchzuführen, ist das bei Granulaten nicht so einfach möglich. Bisher wurde von vielen Apotheken das Nahinfrarot­spektro­skopie-Verfahren eingesetzt. Dieses liefert jedoch nach Auskunft von Fachleuten keine zuverlässigen Ergebnisse. Auf einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte in Deutschland wurde dieses unterstrichen und eine Reihe von weiter reichenden Anforderungen an Granulate formuliert. Danach sollen für Granulate u.a. das Herstellungsverfahren, das Droge-Extrakt-Verhältnis, Hilfsstoffe und Zusätze, die Art der Granulatherstellung, ob Lochscheiben-, Wirbelschicht- oder Sprühgranu­lierung angewandt wurde, und Gehaltsbestimmungen angegeben werden.

Als Organisation primär von Therapeuten können wir zu rein pharmazeutischen Fragestellungen wie geeigneten Verfahren zur Identitätsfeststellung nicht kompetent Stellung nehmen. Dennoch möchten wir allgemein gehaltene Feststellungen dazu treffen.

Nach den gültigen Vorschriften müssen Granulate vom Importeuer bzw. beauftragten EU-anerkannten Instituten auf Identität sowie Unbedenklichkeit hinsichtlich mikrobiologischer Belastung, Kontaminationen durch Schwermetelle, Pestizide, ggfs. auch Aflatoxine geprüft werden. Die Apotheke hat dieses durch Vorhalten entsprechender Zertifikate nachzuweisen. Wenn von der Apotheke ein weiterer Nachweis der Identität gefordert wird, kann es nur um den Ausschluss von Verwechslungen durch Falschetikettierung gehen. Diese Fehlermöglichkeit ist durch automatisierte Herstellungs- und Kontrollprozesse und die Identitätsprüfung seitens des Importeurs relativ unwahrscheinlich. Um ein Restrisiko zu beherrschen, sollte sich das Verfahren in der Apotheke dem Ziel unterordnen, den Ausschluss von Verwechslungen sicherzustellen. Im CTCA haben wir keine Meldungen oder Kenntnis von Vorfällen erhalten, wo durch falsche Identitätsbestimmungen chinesischer Arzneidrogen in der Apotheke Personen geschädigt worden wären. Auch bei korrekter Identität sind allerdings Fehler bei der Zusammenstellung von Rezepturen möglich, denen durch andere Vorkehrungen zu begegnen ist.

Weitergehende Anforderungen, wie sie die Pharmazieräte formuliert haben, halten wir teilweise für sinnvoll, andere für überstrapaziert. Qualitätsanforderungen sollten der Sicherheit dienen, aber den Zugang der europäischen Bürger zu Heilmitteln, die ihrer Gesundheit dienen, nicht unange­messen behindern. In der Art der Granulatherstellung, ob durch Lochscheiben-, Wirbelschicht- oder Sprüh­granulierung, können wir keine sicherheitsrelevanten Aspekte oder sonstige zwingend notwendige Erfordernisse erkennen. Wir wären sehr überrascht, wenn dafür eine Evidenz demonstriert werden könnte.

Gehaltsbestimmungen sind aus unserer Sicht für den therapeutischen Zweck wenig hilfreich, da die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe häufig nicht bekannt sind, was auch für zugelassene und unumstrittene Phytotherapeutika wie z.B. Johanniskraut gilt. Nach geltender Auffassung ist der gesamte Extrakt mit allen darin enthaltenen Bestandteilen als Wirkstoff anzusehen. Die Inhaltsstoffe chinesischer Arzneidrogen sind gut erforscht und in Zehntausenden von Publikationen dokumentiert. Sie weisen natürlicherweise je nach Anbaubedingungen eine Schwankungsbreite auf, mit der sie auch traditionell angewendet wurden. Meist haben sie eine große therapeutische Breite. Anders verhält es sich bei Arzneidrogen mit toxischen Potenzial. Hier sind Gehaltsbestimmungen der toxischen Inhaltstoffe in bestimmten Fällen erforderlich, aber unseres Wissens auch üblich, so z.B. der Diester-Diterpenakaloide bei den Aconitum-Drogen.

Überstrapazierte Qualitätsanforderungen an Granulate dienen nicht der Sicherheit, sondern bewirken letztlich das Gegenteil. Anfragen an das CTCA zeugen davon, dass sich schon jetzt manche Therapeuten nach Bezugs­alternativen aus dem Ausland umsehen aus EU-Ländern, die weniger strenge Arzneimittelauflagen haben und weitgehend auf Kontrollen verzichten, oder gar aus Drittländern über das Internet. Wir warnen seit Jahren vor dem Bezug aus diesen oft preisgünstigen Quellen und versuchen darüber aufzuklären, dass dieser durch Qualitätsrisiken erkauft wird. Eine Einschränkung oder gar ein faktisches Verbot der Bezugsmöglichkeiten für Granulate in Deutschland würde das gemeinsame Anliegen einer Arzneimittelsicherheit ernsthaft gefährden.

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