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Daihuang ©Erich Stöger

Allgemeine Sicherheitsempfehlungen bei der Anwendung chinesischer Arzneien

Die Chinesische Arzneitherapie ist eine relativ sichere Therapie. Seit ihrem Beginn haben Sicherheitsaspekte, wie die sorgsame Beobachtung des Patienten hinsichtlich erwünschter und unerwünschter Reaktionen, eine bedeutende Rolle gespielt. Dadurch waren zumindest die Nebenwirkungen erkennbar, die in einem engeren zeitlichen Zusammenhang mit der Arzneimitteleinnahme standen. Heute müssen wir darüber hinaus auch Risiken im Blick haben, die erst durch moderne Methoden erfasst werden.

Voraussetzung für die Sicherheit ist eine gute Ausbildung der/des Therapeutin/en in der Chinesischen Medizin und eine gesicherte Arzneiqualität.

 

Mögliche Nebenwirkungen

Leichtere Nebenwirkungen, wie gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen, Kreislauf­reaktionen oder verschiedene Befindensstörungen, kommen durchaus öfter vor und lassen sich meist durch eine Anpassung der Rezeptur korrigieren. Ernste Arzneimittelreaktionen sind selten, aber nicht auszuschließen. Ihnen muss eine besondere Aufmerksamkeit gelten, um sie nach Möglichkeit zu vermeiden oder in einem Frühstadium zu erfassen. 

Nicht ungewöhnlich sind Allergien unterschiedlicher Schweregrade. Ursächlich kommen so gut wie alle Arzneien dafür in Betracht, bei Blütendrogen und Arzneien tierischen Ursprungs ist die Wahrscheinlichkeit dafür eher gegeben. Bei leichten Formen, wie z.B. bloßem Juckreiz, kann man versuchen, einzelne Komponenten einer Rezeptur schrittweise zu eliminieren, um das Allergen zu ermitteln und zu vermeiden. 

 

Leberreaktionen

Die wichtigste zu beachtende Nebenwirkung ist eine mögliche Leberreaktion. Bei dieser unterscheidet man einen intrinsischen und einen idiosynkratischen Typ. Ersterer ist vorhersehbar, weil er ab einer bestimmten Dosis bei allen Menschen auftritt. Bei dem idiosynkratischen Typ fällt im Regelfall keine Leberschädlichkeit auf. Nur bei bestimmten Personen kommt es zur Reaktion, die dann auch schwer verlaufen kann. Diese Reaktion ist kaum dosisabhängig und nicht vorhersehbar. Ursächlich dafür kann eine immunologische Reaktion oder eine Stoffwechselbesonderheit bestimmter Personen sein. Bei den Leberreaktionen durch pflanzliche Arzneimittel haben wir es meist mit dem idiosynkratischen Typ zu tun. Um darauf vorbereitet zu sein, ist es wichtig zu wissen, welche Arzneien mit einer möglichen Leberreaktion assoziiert sind.

 

Interaktionen

Eine weitere hervorstechende Risikokonstellation sind mögliche Interaktionen. Traditionell waren Interaktionen zwischen verschiedenen Arzneidrogen bekannt. Es wurden Regeln dafür aufgestellt, welche Kombinationen von Arzneien zu vermeiden sind. Eine größere Bedeutung haben heute mögliche Interaktionen zwischen traditionellen Arzneidrogen und chemisch definierten Arzneimitteln erlangt. Viele der heutigen Patienten sind polymorbid und haben eine mitunter umfangreiche konventionelle Medikation. Hier ist es wichtig zu wissen, wo besondere Risiken vorliegen und wo ein Risiko weniger wahrscheinlich ist.

 

Im Fall einer beobachteten Nebenwirkung

empfehlen wir in Einklang mit den TCM-Fachgesellschaften, den Fall an das CTCA zu melden, damit ein möglicher Zusammenhang mit der chinesischen Medizin abgeklärt und im Interesse aller das Wissen um mögliche Risiken bereichert werden kann. So können alle mit Chinesischer Arzneitherapie befassten Professionen daraus Nutzen ziehen. Wichtig ist dabei eine Angabe sämtlicher wesentlicher Details, wofür wir einen Meldebogen entwickelt haben, der heruntergeladen werden kann. Die Meldung wird kollegial und vertraulich behandelt.

 

Arzneiqualität

Nicht selten wird in den Medien über Sicherheitsmängel chinesische Arzneiprodukte, wie Verunreinigungen, bewusste Verfälschungen o.ä. berichtet oder es werden jahrzehntealte Fälle wieder aufgegriffen. Diese Risiken sind für die deutschsprachigen Länder, für die sich das CTCA zuständig fühlt, schwerlich relevant bzw. lassen sich zuverlässig vermeiden. Voraussetzung ist der Bezug aus legalen Bezugsquellen, d.h. aus Apotheken. Diese sind verpflichtet, nur Arzneien abzugeben, die auf Identität, Schwermetall- und Pestizidgehalt, ggfs. auch auf Aflatoxine, nach den gültigen europäischen Arzneibuchvorschriften geprüft sind. Folgende Kriterien können bei der Auswahl einer Apotheke hilfreich sein:

  • Die Apotheke sollte Erfahrung mit chinesischen Arzneien haben und speziell geschulte Fachkräfte vorhalten.
  • Die Apotheke wird von TCM-Ärzten/Therapeuten empfohlen.
  • Bei besonders preisgünstigen Lieferanten sollte man misstrauisch sein.
  • Es sollte möglich sein, in der Apotheke nach Prüfzertifikaten zu fragen und diese einzusehen.

 

Unbedingt abzuraten ist

  • davon, chinesische Arzneien aus dem Internet zu beziehen, soweit es sich nicht um die o.g. legalen Quellen handelt.
  • davon, chinesische Arzneien von Kräuterläden oder dergl. zu beziehen, die nicht den Bestimmungen bzgl. Qualitätskontrollen unterliegen. 
  • von der Verwendung chinesischer Fertigarzneimittel. Diese sind in der EU nicht legal, weil sie hier keine Zulassung haben, und ihre Qualität kann Mängel aufweisen, die für uns nicht kontrollierbar sind. Einige Mittel werden als „Nahrungsergänzungsmittel“ vertrieben, auch hier ist erhebliches Misstrauen angebracht, weil es sich de facto um Arzneimittel handelt, die aber die Bestimmungen, die für Arzneimittel gelten, umgehen.

Verbot von Asarum, eine fragwürdige Sicherheitsphilosophie

Dt Zschr Akupunktur 54(2), 2011:47-50

Banning of Asarum – A Case of Questionable Safety Measures

Nachdem in den 90’er Jahren bekannt wurde, dass Aristolochiasäure(AA)-I und –II eine schwere Nephropathie und urotheliale Karzinome hervorgerufen können, fielen auch Aristolochiasäuregehalte in Asarumarten auf. Die in der Literatur veröffentlichten AA-I und AA-II-Gehalte sind jedoch meist gering und liegen teilweise unter der Nachweisgrenze. Im Jahre 2010 wurde in der Schweiz und in Deutschland die Verwendung von Pflanzen der Gattung Asarum in Arzneimitteln verboten. Verglichen mit dem, was bei konventionellen Arzneimitteln oder bei Risiken des täglichen Lebens toleriert wird, ist die die Risikotoleranz hier extrem niedrig angesetzt. Das Totalverbot von Asarum erscheint unangemessen.

Axel Wiebrecht
2004

FDA verbietet Ephedra in Nahrungsergänzungsmitteln

aus: Deutsche Zeitschrift für Akupunktur 47(2),2004,54-56

Am 6. Februar 2004 veröffentlichte das FDA ein Verbot von Nahrungsergänzungsmitteln, die Ephedrinalkaloide, wie Ephedrin oder Pseudoephedrin, enthalten. Darunter fallen Ephedra (MA HUANG), aber auch Pinellia ternata (BAN XIA) und Sida cordifolia, das in der ayurvedischen Medizin und in Afrika verwendet wird. Hintergrund für das geplante Verbot in den USA ist eine erhebliche Kumulation von Nebenwirkungsmeldun-gen nach Anwendung von Ephedra- bzw. Ephedrin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln, die in den USA meist zur Gewichtsabnahme oder zur Leistungssteigerung beim Sport angewendet werden, mit ent-sprechender Gefahr der Überdosierung.

Axel Wiebrecht

Die Arbeitsgruppe Li et al. mit Wissenschaftlern aus Hongkong und Deutschland hat eine Studie zu 10 chinesischen Arzneidrogen veröffentlicht, in der sie eine (vorgeblich) vorhandene bzw. nicht vorhandene Embryotoxizität, die aus Tierversuchen bekannt sei, mit Ergebnissen aus von ihnen durchgeführten neuen in vitro-Tests verglichen (1). Es handelt sich um folgende Arzneidrogen mit den bezeichneten Charakteristika:

Tripterygium wilfordii (lei gong teng), eine Droge, die aufgrund ihrer erheblichen Toxizität als obsolet gilt,
Hirudo (shui zhi), der Blutegel, traditionell in der Schwangerschaft kontraindiziert 
Trichosanthis Radix (tian hua fen), traditionell in der Schwangerschaft kontraindiziert
Coptidis Rhizoma (huang lian), nach modernen Erkenntnissen in der Schwangerschaft kontraindiziert (2)
Astragali Radix (huang qi) – ohne bekanntes Schwangerschaftsrisiko
Paeoniae Radix alba (bai shao) – ohne bekanntes Schwangerschaftsrisiko
Scutellariae Radix (huang qin) – ohne bekanntes Schwangerschaftsrisiko
Notoginseng Radix (san qi) – traditionell in der Schwangerschaft mit Vorsicht anzuwenden
Carthami Flos (hong hua), nach modernen Erkenntnissen in der Schwangerschaft kontraindiziert (2)
Salviae miltiorrhizae Radix (dan shen), traditionell wegen möglicher Abortgefahr in der Schwangerschaft kontraindiziert

  • Aconitum-Drogen

    Aconiti Radix cocta (praeparata) (zhi chuan wu), Aconiti lateralis Radix praeparata (fu zi) und Aconiti kusnezoffi Radix cocta (praeparata) (zhi cao wu) sind essentielle Drogen der Chinesischen Arzneitherapie (CA). Daneben spielt noch Aconiti coreani Radix praeparata (zhi guan bai fu) eine gewisse Rolle. Die botanischen Spezies aus welchen die Arzneien gewonnen werden, zählen zur hochtoxischen...

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  • Amygdalin-haltige Drogen in der Chinesischen Medizin

    Amygdalin-haltige Drogen in der Chinesischen Medizin Amygdalin ist ein wesentlicher Inhaltsstoff der bitteren Mandeln. Auch in den chinesischen Arzneidrogen Armeniacae Semen amarum (ku xing ren, Aprikosenkerne), Persicae Semen (tao ren, Pfirsichkerne), Pruni Semen (yu li ren) und Mume Fructus (wu mei) ist der Stoff in absteigender Konzentration enthalten. Diese Drogen werden seit mindestens 1800...

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  • Gefahren durch Aristolochiasäure: „Bösartige Lüge“ oder bittere Wahrheit?

    Die Aristolochia-Story findet so leicht kein Ende. Eigentlich sollte sie der Vergangenheit angehören, weil Arzneidrogen, die Aristolochiasäure enthalten, in vielen Ländern der Welt verboten sind. Das gilt auch für China und Taiwan. Dennoch kursieren in der TCM-Welt vereinzelt noch falsche Vorstellungen bzw. mangelnde Informationen über das Problem.Eine Stellungnahme zum Artikel von Chris...

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  • Studie zur Hepatotoxizität chinesischer Arzneidrogen: Kommentar

        Eine von Melchart und Ko-autoren 2017 veröffentlichte Studie untersuchte die Häufigkeit hepatotoxischer Reaktionen in der TCM-Klinik Kötzting von 1994 bis 2015. Die Studie enthält eine bisher nicht gekannte Datenqualität für die Abschätzung eines Hepatotoxizitätsrisikos chinesischer Arzneidrogen.  Es ist bedauerlich, dass die differential­diagnostische Abklärung der Leberreaktionen so...

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  • Mögliche Leberreaktionen durch chinesische Arzneidrogen

    Leberreaktionen treten unter Chinesischer Arzneitherapie sehr selten auf. Eine moderate Erhöhung der Leberenzyme wird allgemein als eine Anpassungsreaktion der Leber angesehen (1). Um eine solche handelt es sich bei einem Anstieg des Enzyms ALT (Alanin-Aminotransferase, auch GPT) bis zum 5fachen des oberen Normwerts bzw. einer Erhöhung der ALP (Alkalischen Phosphatase) oder des Gesamtbilirubins...

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  • Interstitielle Pneumonie und Kampomedizin (Studien aus Japan)

    Seit dem Jahr 1989 sind in der Literatur Berichte über verschiedene Formen von interstitieller Pneumonie erschienen, die offensichtlich auf Kamporezepturen zurückzuführen waren. Über die Jahre ist die Anzahl der jährlich publizierten Fälle gestiegen, über den letzten wurde – in japanischer Sprache – aktuell berichtet (1). Im Jahr 1997 erschienen eine Veröffentlichung mit einer größeren Fallserie aus...

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  • Interaktionen chinesischer Arzneien mit chemischen Arzneimitteln

    Die Anzahl der pro Person eingenommenen chemisch-definierten Arzneimittel hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Deren Wechselwirkungen untereinander sind oft nicht bekannt, was das Risiko für unerkannte Schäden durch Medikamentenwirkung erhöht. Wenn Wechselwirkungen bekannt werden, können Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden und die Risiken vermindert werden. Da...

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  • Mögliche Interaktion zwischen Vitamin-K-Antagonisten und der Goji-Beere

    Kommentar aus Sicht der Chinesischen Medizin zur Mitteilung des BfArM „Ärzte und Patienten sollten sich der Möglichkeit einer Wechselwirkung von Vitamin-K-Antagonisten mit der Goji-Beere bewusst sein. Entsprechende Fälle könnten sich durch die zunehmende Verwendung dieser Beeren häufen. Dabei sollte insbesondere auf die zunehmende Verbreitung von Zubereitungen aus Goji-Beeren, wie zum Beispiel...

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  • Borax, Peng Sha (obsolet)

    Borax oder Natriumtetraborat, chemische Formel Na2B4O7·10H2O, ist das Natriumsalz der Borsäure (H3BO3). Die Dosis wird mit 1,5 bis 3 g angegeben [1]. In der chinesischen Pharmakopöe ist es nicht enthalten. Borsäure, die toxikologisch mit Borax vergleichbar ist [2], wurde auch in westlichen Ländern bis in die 70er Jahre medizinisch verwendet, vor allem zu antiseptischen Zwecken, üblicherweise als 5%ige...

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  • Calomel, Qing Fen (obsolet)

    Hierbei handelt es sich um Quecksilberchlorid (Hg2Cl), die Dosis wird heute mit 0,1 bis 0,2g 1 bis 2mal täglich angegeben [1]. Als hochreines Produkt hat es eine relativ geringe Toxizität, da es schlecht in Wasser löslich ist. Unter Einwirken von Licht oder durch Erhitzen in Lösung zerfällt es in Hg und hochtoxisches HgCl2 [2] und ist daher deutlich gefährlicher als Cinnabaris.

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  • Cinnabaris, Zhu Sha (obsolet)

    Bei Cinnabaris handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Mineral, das Quecksilber­sulfid (HgS) enthält. Dieses wird sehr schlecht resorbiert. Autoren auch aus heutiger Zeit spielen teilweise das Risiko herunter und behaupten, es werde gar nicht resorbiert und sei daher unschädlich. Wenn es gar nicht resorbiert würde, stellt sich die Frage, wie es denn eine Wirkung entfalten sollte....

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  • Lithargyrum, Mi Tuo Seng (obsolet)

    Lithargyrum besteht hauptsächlich aus Bleioxid (PbO), weitere mögliche Bestandteile sind Bleidioxid (PbO2), metallisches Blei, Aluminium, Silizium, Eisen, Calcium, Magnesium und Siliziumdioxid (SiO2), die orale Dosis wird mit 0,3 bis 0,9g angegeben [1]. Überwiegend wird/wurde es zur externen Anwendung eingesetzt. In der aktuellen Chinesischen Pharmakopöe ist es nicht enthalten.

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  • Minium, Qian Dan (obsolet)

    Hierbei handelt es sich um rotes Bleioxid (Pb3O4) als natürlich vorkommendes Mineral. Die Dosis wird mit 0,3 bis 0,6 g in Pillen oder als Pulver angegeben, die maximale Einzeldosis mit 1,5 g [1]. Überwiegend wird/wurde es aber zur externen Anwendung eingesetzt. In der chinesischen Pharmakopöe ist es nicht aufgeführt. Es gibt verschiedene Berichte über Bleivergiftungen unter Minium. Darunter ist...

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  • Obsolete Drogen

     In der folgenden Übersicht finden Sie in alphabetischer Reihenfolge Drogen der Chinesischen Arzneimitteltherapie,die nach dem aktuellen Wissensstand als obsolet bezeichnet werden.

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Seit dem Jahr 1989 sind in der Literatur Berichte über verschiedene Formen von interstitieller Pneumonie erschienen, die offensichtlich auf Kamporezepturen zurückzuführen waren. Über die Jahre ist die Anzahl der jährlich publizierten Fälle gestiegen, über den letzten wurde – in japanischer Sprache – aktuell berichtet (1). Im Jahr 1997 erschienen eine Veröffentlichung mit einer größeren Fallserie aus Japan und 2017 ein Review, die nähere Aufschlüsse über die Zusammen­hänge beisteuern.

Leberreaktionen treten unter Chinesischer Arzneitherapie sehr selten auf. Eine moderate Erhöhung der Leberenzyme wird allgemein als eine Anpassungsreaktion der Leber angesehen (1). Um eine solche handelt es sich bei einem Anstieg des Enzyms ALT (Alanin-Aminotransferase, auch GPT) bis zum 5fachen des oberen Normwerts bzw. einer Erhöhung der ALP (Alkalischen Phosphatase) oder des Gesamtbilirubins bis zum 2fachen des oberen Normwerts. Darüber hinausgehende Reaktionen werden als Leberschädigung (liver injury) gewertet.

Axel Wiebrecht
Update Juli 2018

 

 

Eine von Melchart und Ko-autoren 2017 veröffentlichte Studie untersuchte die Häufigkeit hepatotoxischer Reaktionen in der TCM-Klinik Kötzting von 1994 bis 2015. Die Studie enthält eine bisher nicht gekannte Datenqualität für die Abschätzung eines Hepatotoxizitätsrisikos chinesischer Arzneidrogen.  Es ist bedauerlich, dass die differential­diagnostische Abklärung der Leberreaktionen so unvollständig vorgenommen wurde, dass eine bessere Kausalitätsbeurteilung nicht erreicht wurde. Insgesamt sind Leberschädigungen unter Chinesischer Arzneitherapie sehr selten, und ihre Prognose ist, wenn sie rechtzeitig erkannt werden, im Allgemeinen gut. 

Die Anzahl der pro Person eingenommenen chemisch-definierten Arzneimittel hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Deren Wechselwirkungen untereinander sind oft nicht bekannt, was das Risiko für unerkannte Schäden durch Medikamentenwirkung erhöht. Wenn Wechselwirkungen bekannt werden, können Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden und die Risiken vermindert werden.

Da Wechselwirkungen nicht nur zwischen chemisch-definierten Medikamenten möglich sind, sondern auch zwischen chemisch definierten und chinesischen Arzneien, ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Interaktion“ auch für unseren Bereich wichtig. Ziel dabei ist, dass wir als TCM Arzneimittel-VerschreiberInnen unsere Entscheidungen zur Wahl und zur Dosierung von TCM-Arzneien auf einer möglichst gut informierten Basis treffen können, die uns dabei hilft Interaktionsrisiken weder über- noch unter- zu interpretieren. Wir fassen hier den aktuellen Erkenntnisstand zusammen und zeigen auf, welche der Beobachtungen uns bei unseren Entscheidungen eine Hilfe sein können und welche nicht.

Mit der gleichzeitigen Einnahme chemisch-definierter und chinesischer Arzneien sind Risiken auf uns zugekommen, die in vormodernen Zeiten unbekannt waren und für die aus der traditionellen Chinesischen Medizin keine Erfahrungen vorliegen. Forschungsergebnisse zu möglichen Interaktionen gibt es relativ wenige, und diese können die beträchtliche Anzahl potenzieller Kombinationen bei Weitem nicht erfassen. Bei den vorhandenen Ergebnissen handelt es sich meist um Untersuchungen des Einflusses einer einzelnen chinesischen Arzneidroge auf ein chemisch-definiertes Arzneimittel. In einer Rezeptur mit mehreren Arzneidrogen kann die Wirkung jedoch anders ausfallen. Somit sind die Untersuchungen mit einer Einzeldroge für die Beurteilung einer Rezepturmischung wenig geeignet und das Ergebnis sagt dann mitunter nicht viel aus. So gibt es eine ganze Reihe von Fallberichten und Untersuchungen, die mehrheitlich anzeigen, dass die Wirkung von Warfarin (ein Antikoagulans) durch Salviae miltiorrhizae Radix (Danshen) gesteigert wird und Blutungen auftreten können. In der Kombination Danshen-Gegen-Extrakt kam es jedoch zu einer verringerten Bioverfügbarkeit und somit zu einem Wirkungsverlust von Warfarin, was zu einer gesteigerten Thromboseneigung bei antikoagulierten Personen führen könnte (1, 2).

Noch weniger sagen Untersuchungen isolierter Inhaltsstoffen chinesischer Arzneidrogen für die Wirkung in der therapeutischen Situation aus. So erhöhte das in Scutellariae Radix (Huangqin) enthaltene Baicalin bei der Ratte die Maximalkonzentration (Cmax) von Ciclosporin um 408% und die AUC (Konzentrations-Zeit-Fläche) um 685%, das Huangqin-Dekokt hingegen senkte die Cmax um, je nach Dosis, 63 bzw. 80% und die AUC um 55 bzw. 82% (3). 

Einige Literaturartikel berichten über die Auswirkungen pflanzlicher Produkte auf die verschiedenen Cytochrom P450-Enzyme (CYP-Enzyme), die beim Abbau oder auch bei der Aktivierung von Arzneimitteln eine wichtige Rolle spielen. Diese Ergebnisse sind jedoch ebenfalls wenig aussagekräftig, weil es sich um Reagenzglasversuche handelt, die wesentliche Vorgänge im lebenden Organismus, wie Resorption, Kompartimentverteilung in die einzelnen Organe und Zelltransporte ausblendet. So ist beispielsweise von Quercetin, einem häufigen Inhaltsstoff auch chinesischer Arzneidrogen, bekannt, dass es in vitro das Enzym CYP3A4, das auch Ciclosporin abbaut, hemmt. Was theoretisch zu einer erhöhten Konzentration von Ciclosporin führen müsste. Im Tierversuch an Ratten und Schweinen reduzierte es jedoch die AUC von Ciclosporin um 43 bzw. 42 % (4). Berücksichtigt man die zusätzliche Unsicherheit bezüglich der Wirkung von Quercetin innerhalb einer Rezepturmischung, dann sind in vitro-Ergebnisse bzgl. CYP-Hemmung oder -Induktion in der Chinesischen Medizin kaum geeignet, eine Interaktion vorherzusagen. 

Nur im Fall einer Rezeptur in nicht abgewandelter Form, für die entsprechende Daten – möglichst vom Menschen – vorliegen, hätte man eine einigermaßen sichere Beurteilungsgrundlage. Dies ist aber nur sehr selten der Fall. 

Aus diesen Gründen müssen wir uns der Frage, wie man das Risiko für klinisch relevante Interaktionen möglichst klein hält, anders nähern.

In vielen Fällen ist die therapeutische Breite chemisch definierter Arzneimittel relativ groß. Allein die interindividuellen Unterschiede, wie ein Mittel resorbiert und verstoffwechselt wird, sind recht groß und dennoch gilt zunächst einmal eine Standarddosis für alle. Es gibt jedoch einige Gruppen von Arzneimitteln, die eine enge therapeutische Breite haben, weil sie einen engen Konzentrationsbereich aufweisen, in dem sie wirksam und noch ausreichend sicher sind. Bei Über- oder Unterschreitung des gewünschten Bereichs kommt es schnell zu Wirkungsverlust bzw. – mitunter ernsten – Nebenwirkungen. Bei diesen Mitteln ist große Vorsicht geboten. Eine Wirkungsabschwächung von Immunsuppressiva kann z.B. zu Abstoßungsreaktionen von transplantierten Organen führen, wie das von Johanniskraut bekannt wurde. Eine Spiegelerhöhung von Immunsuppressiva kann hingegen schwere Infektionen begünstigen, die unter der gesteigerten Immunsuppression tödlich enden können.

Arzneimittelgruppen mit enger therapeutischer Breite sind vor Allem

  • Immunsuppressiva (insbesondere Ciclosporin und Tacrolimus)
  • Antiepileptika
  • Zytostatika
  • Anti-HIV-Mittel
  • Anti-Parkinson-Mittel
  • Antikoagulanzien

Die Aufzählung ist nicht vollständig. Bei diesen Mitteln ist die Indikation für eine Chinesische Arzneitherapie generell streng zu stellen, und die Vorteile und Risiken sind gegeneinander abzuwägen. 

Bei manchen Mitteln lässt sich – mit einigem Aufwand - der Plasmaspiegel bestimmen, so dass man die Dosis ggfs. nachjustieren kann. Bei Vitamin-K-Antagonisten ist die Bestimmung der Wirkung mittels INR (International Normalized Ratio) Standard und daher ein kontrollierbares Problem, sofern man an die Interaktionsmöglichkeit denkt. 
Ist man im Zweifel, ob ein Mittel eine geringe therapeutische Breite bzw. ein höheres Interaktionspotenzial aufweist, kann ein Blick in die Gebrauchsinformation oder Fachinformation helfen. Sind hier unter „Wechselwirkungen“ viele Mittel aufgeführt und evt. mit Warnhinweisen versehen, kann man von einem höheren Interaktionsrisiko ausgehen.

Als allgemeine therapeutische Vorsichtsmaßnahmen werden empfohlen:

  • Patientenaufklärung
  • Verschreibungspraxis: Dosierungen reflektieren, eventuell Supervision einholen, genaue Dokumentation aller Substanzen, die vom Patienten eingenommen werden
  • relativ engmaschige klinische Verlaufskontrolle
  • Laborkontrollen, zum Beispiel Wirkstoffspiegel
  • Kommunikation mit Mitbehandlern anstreben

Bei Fragen bezüglich Interaktionspotentialen mit westlichen Arzneimitteln können sich Fachpersonen gerne an das CTCA wenden. 

Quellen

1.  Zhou L, Wang S, Zhang Z, et al. Pharmacokinetic and pharmacodynamic interaction of Danshen-Gegen extract with warfarin and aspirin. J Ethnopharmacol. 2012;143(2):648-655.

2.  Zhang YF, Yang MB, Ho NJ, et al. Is it safe to take Radix Salvia Miltiorrhiza - Radix Pueraria Lobate product with warfarin and aspirin? A pilot study in healthy human subjects. J Ethnopharmacol. 2020;262:113151.

3.  Lai MY, Hsiu SL, Hou YC, Tsai SY, Chao PD. Significant decrease of cyclosporine bioavailability in rats caused by a decoction of the roots of Scutellaria baicalensis. Planta Med. 2004;70(2):132-137.

4.  Hsiu SL, Hou YC, Wang YH, et al. Quercetin significantly decreased cyclosporin oral bioavailability in pigs and rats. Life Sci. 2002;72(3):227-235.

Kommentar aus Sicht der Chinesischen Medizin zur Mitteilung des BfArM

„Ärzte und Patienten sollten sich der Möglichkeit einer Wechselwirkung von Vitamin-K-Antagonisten mit der Goji-Beere bewusst sein. Entsprechende Fälle könnten sich durch die zunehmende Verwendung dieser Beeren häufen. Dabei sollte insbesondere auf die zunehmende Verbreitung von Zubereitungen aus Goji-Beeren, wie zum Beispiel Tees, Marmeladen etc., in Deutschland geachtet werden. Patienten, die Vitamin-K-Antagonisten einnehmen, sollten Zubereitungen, die Goji-Beeren enthalten, vermeiden...“1  

Aconiti Radix cocta (praeparata) (zhi chuan wu), Aconiti lateralis Radix praeparata (fu zi) und Aconiti kusnezoffi Radix cocta (praeparata) (zhi cao wu) sind essentielle Drogen der Chinesischen Arzneitherapie (CA). Daneben spielt noch Aconiti coreani Radix praeparata (zhi guan bai fu) eine gewisse Rolle. Die botanischen Spezies aus welchen die Arzneien gewonnen werden, zählen zur hochtoxischen Gattung Aconitum. Durch Fehlanwendungen wie eine unzureichend vorbehandelte Droge oder Überdosierungen, oft unter volksmedizinischen Bedingungen sind viele Todesfälle in China und Hongkong – hier vor allem in der Zeit unter britischer Verwaltung, ohne Regulation der Chinesische Medizin  - zu beklagen[1].  Ein weiterer, wichtiger Grund für Aconitum-Vergiftungen sind die Verwendung der Arznei als Lebensmittel in "Kraftsuppen" [2].

Amygdalin-haltige Drogen in der Chinesischen Medizin

Amygdalin ist ein wesentlicher Inhaltsstoff der bitteren Mandeln. Auch in den chinesischen Arzneidrogen Armeniacae Semen amarum (ku xing ren, Aprikosenkerne), Persicae Semen (tao ren, Pfirsichkerne), Pruni Semen (yu li ren) und Mume Fructus (wu mei) ist der Stoff in absteigender Konzentration enthalten. Diese Drogen werden seit mindestens 1800 Jahren in der Chinesischen Medizin eingesetzt und sind bereits in der ersten chinesischen Pharmakopöe, dem shen nong ben cao jing (ca. 220 n. Chr.), enthalten. Armeniacae Semen ist eine wichtige Arznei zur Behandlung von Husten und Asthma, Persicae Semen ein wichtiges Mittel zur Behandlung von Blutstase. Zusätzlich befeuchten beide Drogen den Darm und sind damit günstig bei Obstipation einzusetzen. Xing ren gilt traditionell als leicht toxisch.

Axel Wiebrecht
März 2017

Die Aristolochia-Story findet so leicht kein Ende. Eigentlich sollte sie der Vergangenheit angehören, weil Arzneidrogen, die Aristolochiasäure enthalten, in vielen Ländern der Welt verboten sind. Das gilt auch für China und Taiwan. Dennoch kursieren in der TCM-Welt vereinzelt noch falsche Vorstellungen bzw. mangelnde Informationen über das Problem.
Eine Stellungnahme zum Artikel von Chris Dhaenens 2013, verfasst von Axel Wiebrecht, Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA), erschienen in der „Naturheilpraxis“.

Borax oder Natriumtetraborat, chemische Formel Na2B4O7·10H2O, ist das Natriumsalz der Borsäure (H3BO3). Die Dosis wird mit 1,5 bis 3 g angegeben [1]. In der chinesischen Pharmakopöe ist es nicht enthalten. Borsäure, die toxikologisch mit Borax vergleichbar ist [2], wurde auch in westlichen Ländern bis in die 70er Jahre medizinisch verwendet, vor allem zu antiseptischen Zwecken, üblicherweise als 5%ige wässrige Lösung.

Wegen ihrer schwachen Wirkung mit schmalem Wirksamkeitsspektrum und der Möglichkeit akuter und chronischer Vergiftungen wurde diese Verwendung weitestgehend verlassen. Seit 1891 wurde über mehr als 170 schwere Borintoxikationen berichtet, von denen 91 tödlich verliefen [3]. Die minimale humanlethale Dosis wird für Erwachsene zwischen 15 und 20 g angegeben, für Kinder mit 3 bis 5 g. Wiederholte kleine Dosen sollen gefährlicher sein als eine einzige akute Aufnahme [4]. Symptome der chronischen Boraxvergiftung sind relativ unspezifisch: Haarausfall, Anämie, Menstruationsstörungen, Hautveränderungen Appetitverlust, Erbrechen, chronische Diarrhö, schließlich kann es zu Anfällen und zum Tode kommen.

Auch bei äußerlicher Anwendung können Vergiftungen auftreten. Durch die intakte Haut werden Borax und Borsäure nur wenig resorbiert. Anders verhält es sich bei verletzter oder entzündeter Haut. In einer Zusammenstellung aller bis dahin veröffentlichten Vergiftungsfälle durch Borax bzw. Borsäure aus dem Jahre 1962 finden sich 83 Todesfälle. Von diesen waren 23 durch Anwendung von Borsäure, meist als Pulver, auf die Haut der Windelregion von Säuglingen hervorgerufen worden, 35 durch Unfälle, d.h. Verwechslungen, und 25 Fälle durch medizinische Anwendungen. Unter diesen waren nur 2 durch orale Zufuhr, 8 durch Spülen von Körperhöhlen, Wunden, Abszessen und dergl. und 6 durch die externe Behandlung von Verbrennungen verursacht worden [5].

Borax ist wegen seiner geringen therapeutischen Breite auch im Rahmen der Chinesischen Medizin als obsolet anzusehen [1].

Hierbei handelt es sich um Quecksilberchlorid (Hg2Cl), die Dosis wird heute mit 0,1 bis 0,2g 1 bis 2mal täglich angegeben [1]. Als hochreines Produkt hat es eine relativ geringe Toxizität, da es schlecht in Wasser löslich ist. Unter Einwirken von Licht oder durch Erhitzen in Lösung zerfällt es in Hg und hochtoxisches HgCl2 [2] und ist daher deutlich gefährlicher als Cinnabaris.

Bei Cinnabaris handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Mineral, das Quecksilber­sulfid (HgS) enthält. Dieses wird sehr schlecht resorbiert. Autoren auch aus heutiger Zeit spielen teilweise das Risiko herunter und behaupten, es werde gar nicht resorbiert und sei daher unschädlich. Wenn es gar nicht resorbiert würde, stellt sich die Frage, wie es denn eine Wirkung entfalten sollte. Tatsächlich werden bei oraler Aufnahme knapp 0,2% resorbiert, die sich zum großen Teil in der Niere anreichern. Ins Gehirn gelangt etwa ein Zehntel dieser Menge. Über die Aufnahme über die Haut ist wenig bekannt [1].

Lithargyrum besteht hauptsächlich aus Bleioxid (PbO), weitere mögliche Bestandteile sind Bleidioxid (PbO2), metallisches Blei, Aluminium, Silizium, Eisen, Calcium, Magnesium und Siliziumdioxid (SiO2), die orale Dosis wird mit 0,3 bis 0,9g angegeben [1]. Überwiegend wird/wurde es zur externen Anwendung eingesetzt. In der aktuellen Chinesischen Pharmakopöe ist es nicht enthalten.

Hierbei handelt es sich um rotes Bleioxid (Pb3O4) als natürlich vorkommendes Mineral. Die Dosis wird mit 0,3 bis 0,6 g in Pillen oder als Pulver angegeben, die maximale Einzeldosis mit 1,5 g [1]. Überwiegend wird/wurde es aber zur externen Anwendung eingesetzt. In der chinesischen Pharmakopöe ist es nicht aufgeführt. Es gibt verschiedene Berichte über Bleivergiftungen unter Minium. Darunter ist auch ein Todesfall, der nach 13 Tagen unter einer täglichen Dosierung von 1,5 g per os auftrat [2].

 In der folgenden Übersicht finden Sie in alphabetischer Reihenfolge Drogen der Chinesischen Arzneimitteltherapie,die nach dem aktuellen Wissensstand als obsolet bezeichnet werden.

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