Navigation

  • Bei Wuweizi ©Erich Stöger

  • Daihuang ©Erich Stöger

  • danggui ©Erich Stöger

  • danzhuye ©Erich Stöger

  • Difuzi ©Erich Stöger

  • Gualouzi ©Erich Stöger

  • Hehuanhua ©Erich Stöger

  • Xiangfu ©Erich Stöger

Gefährliche Herzrhythmusstörungen unter Evodia rutaecarpa?

Eine Meldung der Neuen Züricher Zeitung und der Aargauer Zeitung vom 2.5.2018 klingt alarmierend. Forscher aus den Universitäten Basel und Wien hätten unter den in der chinesischen Heilpflanze Evodia rutaecarpa in höheren Konzentrationen vorkommenden Inhaltsstoffen Dehydroevodiamin und Hortiamin Blockierungen der Kaliumkanäle des Herzmuskels festgestellt, die schwere Herzrhythmusstörungen, wie Torsades de pointes (TdP) oder Kammerflimmern und damit plötzlichen Herztod auslösen könnten. Das Entstehen schwerer Herzrhythmusstörungen hätten Forscher der Universität Utrecht an Hunden bestätigen können. „Der plötzliche Herztod sei heimtückisch und könne bereits innerhalb von zehn Minuten nach dem Beginn der TdP-Arrhythmie eintreten, sagt Steffen Hering von der Universität Wien. Die auslösende Herzrhythmusstörung sei nur mithilfe eines EKG feststellbar und natürlich nur dann, wenn der Patient die Klinik noch lebend erreiche. Deshalb sei es im Nachhinein kaum möglich, zu entdecken, dass der Herztod aufgrund einer solchen Störung entstanden sei und mit der Einnahme des Evodia-Präparats in Verbindung stehe. Auf den Erfahrungsschatz der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), auf den praktizierende Ärzte oft verwiesen, könne man sich bei Evodia daher keinesfalls verlassen, so Steffen Hering.“

Die Meldung geht zurück auf eine kürzliche Veröffentlichung von Baburin et al. (1) in der Zeitschrift Pharmacological Research. Diese hatte Ergebnisse mit methanolischem Extrakt und den Rein­substanzen Dehydroevodiamin und Hortiamin in Zellversuchen und an Kaninchen und Hunden beschrieben. Das CTCA hatte diese Veröffentlichung bereits zuvor analysiert und konnte innerhalb von Stunden auf die Zeitungsartikel mit einem Leserbrief reagieren. 

Leserbrief zu „Bei einer Substanz der chinesischen Medizin ist Vorsicht geboten“, NZZ vom 02.05.2018

Unnötige Panikverbreitung

Der Artikel beschwört Gefahren von der chinesischen Heilpflanze Evodia rutaecarpa ausgehend herauf, die bis hin zum plötzlichen Herztod reichen sollen. Die experimentellen Tierversuche sind jedoch aus mehreren Gründen nicht auf die Therapiesituation beim Menschen übertragbar. 

(1) Bei den Versuchen wurden ein Methanol-Extrakt oder isolierte Reinsubstanzen verwendet, die sich stark von einer Abkochung unterscheiden, wie sie in der Traditionellen Chinesischen Medizin üblich ist. 

(2) In der Chinesischen Medizinist eine leichte Toxizität dieser Arzneipflanze bekannt, daher wird sie einer spezielle Zubereitung unterzogen, die sie entgiftet. In der rohen Form wird sie ausschließlich äußerlich angewendet. 

(3) Für die Anwendungam Menschen liegt für Evodia rutaecarpa in der Chinesischen Medizineine umfangreiche Erfahrung von mindestens 1800 Jahren vor, sie wurde bereits im ersten Arzneibuch der Geschichte, dem Shennong Bencao Jingerwähnt. Ernste Herzrhythmusstörungen wurden dabei, soweit wir das feststellen konnten, nicht beobachtet. Der erwähnte Forscher Steffen Hering argumentiert, der Herztod könne so schnell eintreten, dass die Ursache des Todes der Aufklärung entgangen sein könnte. Er übersieht, dass in sehr viel zahlreicheren Fällen zunächst einmal weniger schwere Herzrhythmusstörungen zu erwarten wären. Da eine subtile Pulsdiagnose eine der wichtigsten diagnostischen Säulen der Chinesischen Medizinist, wäre eine Pulsunregelmäßigkeit oder eine andere gefährliche Arrhythmie mit Sicherheit aufgefallen. 

Bisweilen wurden Nebenwirkungenin vormoderner Zeit nicht erkannt, wenn sie mit deutlicher zeitlicher Verzögerung oder erst bei chronischer Anwendungauftraten. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine Sofortwirkung, deren Zusammenhang mit einer Heilkräutereinnahme unmittelbar augenfällig gewesen wäre.

Eine chinesische Arbeit (Wang 2016) untersuchte systematisch sämtliche Veröffentlichungen der letzten 30 Jahre überNebenwirkungender chinesischen Arzneimittelgruppe, der Evodia rutaecarpa angehört, aus chinesischen Datenbanken und der US-amerikanischen Pub Med. Zu Evodia rutaecarpa fanden sich gerade 2 Berichte über Nebenwirkungen. Im ersten Fall wurde der normale Dosisrahmen von 1,5 bis 4,5g mit 12g deutlich überschritten, im zweiten Fall lag mit 6g ebenfalls eine Dosisüberschreitung vor, zusätzlich wurden 10g einer Aconit-Droge verabreicht, die über ähnliche Mechanismen auf das Herz einwirkt. Im ersten Fall kam es zu moderaten Nebenwirkungen, u.a., was das Herz anbelangt, zu Herzklopfen, im 2. Fall zu verlangsamten Puls. Die von den Forschern angegebenen gefährlichen Herzrhythmusstörungen wurden, soweit wir feststellen konnten,  nirgendwo beobachtet,  geschweige denn Todesfälle.

Bei vorschriftsmäßiger Anwendungbesteht kein Grund zur Besorgnis. Die langen Erfahrungen beim Menschen sagen sehr viel mehr aus als Tierversuche mit nicht-therapieadäquaten Substanzen oder Zubereitungen. Allerdings würde ich von einer gleichzeitigen Verabreichung mit Digitalispräparaten oder Arzneimitteln, die auf den Herzrhythmus einwirken, abraten.

Dr. Axel Wiebrecht

Erster Vorsitzender des Centrums für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA), Berlin

Quellen: 
(1)https://reader.elsevier.com/reader/sd/1E51F82C695A90DB9A929B02BD30B11F85A16C5D04C5AFA94D9049115FDBB416F746640912A0AE06297CEE6AB28D286E

(2) Wang Y. [Chinese materia medica for warming the interior: Safety analysis and pharmacovigilance considerations] (Chinese). Zhonghua Zhong Yiyao Zazhi 2016;31(7):2688-93

 

  • SMS Logo